Im Vorfeld der Bürgerbeteiligung zur Zukunft des Grugabades habe ich viele Experten zu diesem Thema interviewt. Frühere Zuständige, Berater, Verbände, Leistungsschwimmer und Freizeitnutzer des Bades.
Leider haben sich ja nicht so viele Bürger zu den Veranstaltungen angemeldet, wie geplant. Vielleicht, weil wir alle meinen, dass uns die Fachkenntnis und die Daten fehlen, um Qualifiziertes beitragen zu können.
Um trotzdem Anregungen zu geben und den Diskussionsprozess auf möglichst breite Basis zu stellen gebe ich hier eine wertungsfreie Zusammenfassung der Ergebnisse. Eine formlose Sammlung, die sich vermutlich weiterentwickeln wird:
Randbedingungen:
- 15 Mio. € geschätzter Renovierungsaufwand
- Rund 1,4 Mio. € jährliche Kosten bei 300 T€ Erlösen
- Weniger als die Hälfte der Besucherzahlen wie am Anfang in den 60ern mit 360.000. Heute 80.000-120.000 je nach Wetter
- Funktion von Anfang an: Sport, Freizeit, Vergnügen, Aufenthaltsort, Kinder
- Eintritt: 2-4€
- 3-4 Monate Betrieb pro Jahr mit extremer Wetterabhängigkeit.
- Denkmalschutz steht aus: Das Rheinische Amt für Denkmalpflege hat bei der Stadt den Antrag gestellt, das Grugabad in die Denkmalliste einzutragen. Konzept hier:
Die Basisinformationen laut Unterlagen:
Architekt: Gerd Lichtenhahn, Hannover
Eröffnung: 15.06.1964
Baukosten: 15 Mio. DM
Grundstücksgröße: 51.949 qm
Liegewiese: 25.000 qm
gesamte Wasserfläche: 5.321 qm
Angebot: Sportbecken, Sprungbecken, Wellenbecken, Nichtschwimmer, Kinderbecken, Wasserrutsche
keine Notwendigkeit für Schul- oder Vereinssport
hohe Bedeutung für die Essener (Nachkriegs-)Geschichte, daher emotionale Verbindung vieler Bürger
Denkmalschutz (Verfahren noch schwebend)
Um die Nutzung und Wirtschaftlichkeit zu verbessern gibt es grundsätzlich folgende Möglichkeiten:
- Technische und organisatorische Effizienzsteigerung und Synergienutzung
- Verbesserung des Badeangebotes
- Neue Nutzungsangebote, insbesondere mit Erschließung neuer Nutzergruppen
- Verlängerung der Nutzungszeit im Jahr
- Verkleinerung oder Neubau
- Verbesserung des Marketing
Mängel und Vorschläge, die von Besuchern und Fachleuten vorgebracht wurden:
Technische Mängel werden erstaunlich selten von Nutzern vorgebracht.
In den letzten Jahren haben Probleme mit vor allem jungen Besuchern, die unsoziales Verhalten zeigten, zugenommen und viele potentielle Besucher davon abgehalten das Bad zu besuchen. Ein Sicherheitsdienst ist zwar eine wirksame Gegenmaßnahme, verschlechtert aber auch das Image. Kann eine Erhöhung der Preise oder der Einsatz von Kameras helfen?
Angebotsverbesserungen
Ein Experte meinte, dass Meeressand attraktiver und pflegeleichter sei als Wiese.
Das gastronomische Angebot wird als unzureichend empfunden.
Mit Blick auf den erfolgreichen Seaside Beach am Baldeneysee wird angeregt eine szenige Beach-Bar und z.B. einen Grill oder Streetfood-Stände zu installieren, die mit einem Südseestrand in der schönen Landschaft hohe Aufenthaltsqualität schaffen würde. Sand, Strandkörbe …. Hier können Partner aus der Gastronomie hilfreich sein (Brauerei?)
Ferner könnten Abendveranstaltungen mit Musik junges Publikum anziehen.
Mit Blick auf den Seaside Beach kann eine Besuchergruppe ins Auge gefasst werden, die weniger das Schwimmen als die landschaftlichen Reize und den Szenetreff als Motiv haben. Externe Veranstalter wären hierfür hinzuzuziehen. Bedarf ist sicher vorhanden.
Vermutlich wird es nicht mehr zu ändern sein; aber das ursprünglich im Gebäude an der Grenze zur Gruga installierte Restaurant hatte viele Vorzüge. Es war auch vom Park aus zu nutzen und bot einen landschaftlich reizvollen Blick zu beiden Seiten, den Park und das Bad. Man bedenke, dass im Grugapark über das Fehlen von Gastronomie geklagt wird. Das Gebäude wird heute durch eine Kita und die Verkehrswacht genutzt.
Alle sind sich einig, dass der Besucherrückgang neben der demografischen Entwicklung auch in einem geänderten Freizeitverhalten begründet ist. Nach über 50 Jahren ist eine Anpassung an veränderte Bedürfnisse erforderlich.
Bei Imagemängeln und Besucherrückgang ist zu bedenken, dass es kaum oder gar keine Werbung für das Bad und auch keine nennenswerten Veranstaltungen gibt. Erst vor kurzem hat Jelena Ivanovic mit dem Projekt "Kunstbaden" gezeigt, dass das Bad auch Location für kulturelle Veranstaltungen sein kann und das auch im Oktober bei kalten Temperaturen. Früher gab es in erheblichem Maße bedeutende Sportwettkämpfe im Bad. Neben Schwimmen z.B. auch Kanu. Andere Sportarten kämen vielleicht auch infrage. Leider sind Chancen, die sich z.B. durch die Triathleten ergeben haben, nicht offensiv genutzt worden. Was ist mit Tauchern?
Es besteht angeblich Bedarf an Schwimmkursen - auch für Erwachsene (in Do ausgebucht) u.v.a.m. der nicht aufgegriffen wird.
Es ist also anzuraten neue Nutzungen und Nutzergruppen anzustreben und die Angebote besser zu kommunizieren. Immer wieder fällt auf, dass die schon jetzt bestehenden Angebote vielen nicht bekannt sind. So meinte selbst ein Experte, dass ein Kleinkinderangebot fehle, obwohl es von Anfang an vorhanden ist.
Hinsichtlich der Anpassung des Bades an aktuelle Bedürfnisse gibt es wenig neue Inputs.
Ein Naturbad wurde vorgeschlagen, wie es in Mülheim erfolgreich ist.
Von Expertenseite heißt es, dass angeblich ein Einsparpotential darin liegt, dass nur bis 1,25m Wassertiefe eine allgemeine Aufsicht vorgeschrieben ist, während das Schwimmen auch für Sportler ohne weiteres möglich ist. Die Wassermenge ist natürlich auch geringer. Es gibt Vorbehalte bei Schwimmern. Das Argument wäre zu prüfen.
Vielleicht wäre es sinnvoll, wie bei vielen anderen Essener Bädern auch, die Trägerschaft von der Stadtverwaltung (Sport und Bäderbetriebe) zu einem Trägerverein, etwa dem ESPO, zu geben, weil in anderen Fällen offenbar deutliche Verbesserungen der Ergebnisse erreicht wurden. - Was zu verifizieren wäre.
Ganzjahresbad
Für die Wirtschaftlichkeit ist die für ein Freibad naturgemäße kurze Nutzungsdauer von 3-4 Monaten und dann auch nur bei gutem Wetter, ein großes Hindernis. Sie lässt sich nur durch ein Hallenbad bzw. eine Halle über ein Becken erweitern.
Tatsächlich war dies einige Zeit realistisch in der Diskussion, als sich auch das Ende des Hauptbades abzeichnete und hätte für Essen große Vorteile geboten. Die ideologische Diskussion um das Hesse Bad in Wahlkampfzeiten sowie die in Essen unvermeidlichen Nord-Süd-Argumente haben Gelder parteipolitisch so geleitet, dass diese Option nicht weiterverfolgt werden konnte. Der Ersatz des Hauptbades durch das vornehmlich durch Sportler genutzte Bad am Thurmfeld macht heute Investitionen in eine Halle nur schwer durchsetzbar, obwohl Rüttenscheid - ganz im Gegensatz zum Klagen des Nordens - bereits extrem im Bereich des Sportes demontiert wurde. Man denke nur an das Stadion, die Festwiese, die Turnfesthalle u.a..
Rein sachlich gesehen besteht genug Bedarf an sportlicher Nutzung, und die bestehenden Bäder können den Bedarf von Schulen, Vereinen und Bürgern bei weitem nicht decken. Ein derartiges Angebot gehört zu den Pflichten einer Kommune, weil es der Lebenstüchtigkeit (Schwimmenlernen) und der Gesundheit der Bürger dient.
Der Reiz einer Halle liegt darin, dass man nur einen Bruchteil an Investitionskosten hat, wenn man bestehende Einrichtungen nutzt, sie also nicht neu bauen muss: Wasseraufbereitung, Heizung, Umkleiden und Sanitäranlagen, Kassen, Parkplätze und Verkehrsinfrastruktur etc..
Die Idee einer Traglufthalle erscheint da im ersten Moment gewagt; tatsächlich aber gibt es in Deutschland einige solche Installationen (Bochum, Gladbeck…). Will man eine Halle neu bauen, käme die Südecke des Geländes infrage.
Sportler sind auf Hallen und 50m-Becken angewiesen.
Für die Beurteilung der Option Halle/Ganzjahresbad fehlen an dieser Stelle Bedarfsanalysen.
Verkleinerung
Geht man davon aus, dass weder eine Verbesserung oder Erweiterung des Badeangebotes noch die Einführung neuer Nutzungen ausreichen, so kann auch an eine Verkleinerung gedacht werden.
Einheitliche Meinung ist, dass das Nichtschwimmerbecken zu groß sei. Es ist auch nicht beheizt. Es aufzugeben wäre das Ende der Rutsche, die Symbol für das Bad ist und durchaus genutzt wird. Eine Verkleinerung, indem man den hinteren Bereich etwa mit Sand zu einem Beach verschließt - vielleicht sogar mit Wasserkante - ist eine Option, die aber wenig Geld spart.
Ein Beispiel verdeutlicht das: Wenn zu kalten oder frühen Tageszeiten einige ihre sportlichen Bahnen im 50m-Becken ziehen, ist niemand in den anderen Becken. Trotzdem ist es Vorschrift an jedes Becken einen Bademeister zu stellen, der bezahlt werden muss. Diese spart man nur durch Aufgabe eines ganzen Beckens.
Ein Experte meinte, der Sprungturm mit Becken solle aus Kostengründen geschlossen und zu einer Tropenlandschaft mit Feuchtbiotop umgebaut werden. Es gibt aber Aussagen, dass dieser intensiv genutzt wird. Für bestimmte Sportabzeichen ist er auch erforderlich. Es wäre zu klären, wie teuer der Betrieb des Turmes mit Becken ist. Beheizt ist es nicht.
Die Sportler betonen, dass sie ein 50m-Becken brauchen und es sonst kaum welche gäbe. Auch hier ist eine Stilllegung schwierig.
Ein Schließen des Wellenbades würde wohl die größte Ersparnis bieten, aber es ist eines der wenigen seiner Art in Deutschland und das einzige in der Region und eine wesentliche Attraktion des Bades.
Ein Vorschlag ist, im Bereich der Tribüne ein neues Gebäude zu errichten, dessen Nutzung möglichst Synergien zum Bad aufweisen soll, ohne dass dies näher definiert wird. Mancher meint, dabei könne man die Rückseite der Tribüne nutzen, vermutlich würde aber die Tribüne dabei ganz oder teilweise fallen. Vollständig genutzt wird sie ja ohnehin nicht.
Denkt man an ein Gesundheitsbad, Gymnastik, Physio, Wellness… so ist nicht nur Kur vor Ort und die Grugatherme zu berücksichtigen, sondern auch die Frage, in wieweit die Kommune sich in diesen Markt begeben sollte und darf. Vielleicht hat auch hier der ESPO oder ein anderer Träger Ideen.
Wenn eine Verkleinerung der Fläche des Bades nicht an dieser Stelle erfolgt, kann sie im Nordbereich erfolgen. Hier sind Synergien zur Messe gegeben, wie sie bei den Plänen zur Olympiade 2012 im Ruhrgebiet bereits berücksichtigen wurden. Ein Film aus jener Zeit mutet heute sehr visionär an, aber vielleicht fehlt so etwas in Essen. Immerhin die eine Olymipa-Bewerbung wieder im Gespräch. Die Grugahalle jedenfalls ist ein anderer Verlustbringen, der dann besser genutzt werden könnte.
Die Option eines Spaßbades hängt von der Marktanalyse ab, die die Experten ehr kritisch sehen. Leider hat die Stadt Essen hier einige schlechte Erfahrungen gemacht (Holle, Oase…), über die man trefflich streiten kann. Das sollte aber nicht zu Vorurteilen führen, denn in Bereich der privat geführten Bäder, wozu auch die Oase in der erfolgreichen Zeit gehörte, gibt es auch Erfolge. Die leidige Surfanlage mag man kaum ansprechen. Sie ist aber ein Beispiel für neue Ideen, nach denen man suchen sollte.
Bei den Kosten einer wie auch immer gearteten Renovierung meinen Experten, dass ein Abriss mit Neubau wirtschaftlicher wäre.
Spätestens hier spielt der Aspekt des Denkmalschutzes eine entscheidende Rolle. Die Definition und Begründung für einen Denkmalschutz liegt vor. Die Stadt Essen hat hin aber (noch) nicht vollzogen, um die Diskussionsprozesse abzuwarten.
Die Meinungen dazu gehen im politischen Raum auseinander. Vor allem Grüne und Linke fordern den Denkmalschutz und sehen darin eine Sicherung der Existenz des Bades. Allerdings besteht bei allen Parteien der Wille das Bad zu erhalten, so dass dieser Schutz gar nicht nötig ist. Die Folge ist aber die Verhinderung von sinnvollen Änderungen und extrem hohe Kosten für Aspekte, die dem Nutzer in der Regel nicht nutzen. Es kann also dem Bad sehr schaden und Geld kosten, das woanders fehlen wird.
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