RÜTTENSCHEID - Gute Zeit.

Fahrradstrasse

Verkehrskonzept Fahrradstraße Rü

Viel wurde in den letzten Jahren auf dieser Site über das Ringen um die Rüttenscheider Straße (Rü) geschrieben. Meist kompliziert und lang, da die Zusammenhänge nicht einfach sind. Viele verschiedene Ideen zur Änderung der Verkehrssituation wurden diskutiert. Am 15.9.20 wurde die Rü zur Fahrradstraße, was Teil der Einigung mit der Deutschen Umwelthiilfe um die Dieselfahrverbote war. (Der Link zeigt auch die Vorgeschichte auf und erläutert, wie viele Texte die Funktion der Fahrradstraße, die mittlerweile den meisten vertraut ist) Viele weitere Maßnahmen folgten und dies einigermaßen einvernehmlich, bis im Oktober 2024 Änderungen der Verkehrsführung erfolgten, gegen die sich alle Anlieger in aller Deutlichkeit schon im Vorfeld gewandt hatten. Der Ablauf offiziell. Die Ergebnisse waren dann so, dass neben einer deutlich negativen öffentlichen Resonanz zwei Klagen zum Abbruch der Maßnahme geführt haben.

Diese Zäsur, die bis zur Kommunalwahl im September 2024 bestehen bleiben dürfte, ist wohl ein guter Zeitpunkt für eine Bilanz (PDF) und das Sammeln von Argumenten für die weitere Diskussion, die uns die Politik wohl nicht ersparen wird.

„Verkehrsoptimierung“ Rüttenscheider Straße – Eine Bilanz (24.2.25)

Seit Jahren gibt es eine Diskussion darum, ob und wie man die Verkehrssituation auf der Rüttenscheider Straße (Rü) verändern sollte. Nachdem nach dreieinhalb Monaten die Änderung der Verkehrsführung gescheitert ist, dürfte die Diskussion trotzdem nicht beendet sein. Daher hier der Versuch einer Zusammenstellung der Fakten, der gemachten Erfahrungen und mögliche Diskussionsgrundlagen. 

Zusammenfassung:

• Rüttenscheid und die Rü gilt unbestritten und belegt als attraktiv und erfolgreich.

• Es besteht Einigkeit, dass man den Radverkehr fördern will.

• Es besteht zwar auch Einigkeit, dass die Geschäftsstraße Rü nicht geschädigt werden soll, aber Radverbände glauben den Firmen und Anwohnern nicht, dass dies bei der Änderung der Verkehrsführung geschehen ist.

• Es wurden in der Vergangenheit schon viele Maßnahmen einvernehmlich umgesetzt.

• Die strittige Änderung der Verkehrsführung hat zu großen Protesten von Anwohnern und Firmen geführt. Die IHK ermittelte erhebliche Umsatzeinbußen. Firmen klagten und erreichten zwei Eilentscheidungen, die zur Aufhebung der gesamten Maßnahme führten. Die ausführliche Begründung bestätigt die Kritiker:

• Es gibt weder besonders viele Unfälle auf der Rü, noch haben die Unfälle viel mit Fahrrädern oder Eigenschaften der Rü zu tun. Die Maßnahmen konnten nicht als Erhöhung der Verkehrssicherheit belegt werden, erzeugen zusätzliche Gefahren und Verschieben Gefahren in die Nebenstraßen.

• Es wurden nach der „Verkehrsoptimierung“ viele Abbiegeunfälle auf den Umfahrungsstrecken beobachtet.

• Zusätzliche Umwegfahrten, wie sie in großem Umfang erzwungen werden, sind umweltschädlich.

• Daher sollten Sperrungen vermieden werden und lieber die Hindernisse für den Verkehr angegangen werden. Vorschläge liegen seit langem vor und wurden nie aufgenommen. Verbesserungen bei Lieferzonen und Maßnahmen zu Verminderung des Parksuchverkehrs waren schließlich auch Teil der Ratsentscheidung, wurden aber nicht angegangen.

• All dies und eine Berücksichtigung der Anlieger mahnen die Richter an.

• Auch bei einem Erfolg der Stadt vor dem OVG dürfte das Vorgehen politisch gestorben sein. Die gemachten Erfahrungen bieten aber eine gute Grundlage für das weitere Vorgehen. Immerhin sind alle bereit die Entwicklung hin zu weniger Autoverkehr verträglich fortzusetzen.

Ausgangslage

Die Rü und die direkt anliegenden Nebenstraßen sind seit 130 Jahren ein florierendes Gewerbegebiet mit Einzelhandel, Gastronomie, Handwerk und Dienstleistung. Die IHK verzeichnet hier über 660 Firmen, wobei die vielen Ärzte (ca.100), etwa gleich viele Gesundheitsanbieter und andere nicht enthalten sind, da sie nicht in der IHK sind. Einzelhandel und Gastronomie sind über 400 Firmen, die besondere Liefer- aber auch Versand- und Entsorgungs-Bedürfnisse aufweisen.

Die Rü trägt wesentlich dazu bei, dass Rüttenscheid ein Mischgebiet ist, was städtebaulich unbestritten viele Vorteile hat und als besonders attraktiv gilt.

Was heute die Rü ist, ist aber seit über 1000 Jahren auch ein alter Pilger- und Handelsweg gewesen. Von der Innenstadt aus ist sie zusammen mit der Alfredstraße die wesentliche, durchgängige Nord-Süd-Verbindung.

Eine weitere städtebauliche Eigenschaft ist bei Vergleichen zu beachten: Da sich während der Industrialisierung der Vorort von Essen sehr schnell entwickelt hat, ist Rüttenscheid ein Straßendorf entlang der Rü ohne konzentrisch angeordnetem Kern, wie es bei historisch gewachsenen Orten der Fall ist. Daher können Rezepte für Innenstädte oder andere Zentren aus verschiedenen Gründen nicht pauschal übertragen werden.

Ziele

Es ist heute schon eine Besonderheit, dass ein Wirtschaftsstandort mit Gastronomie und Einzelhandel so gut dasteht, wie es Rüttenscheid unbestritten und durch objektive Kennzahlen belegt ist. Diesen zu erhalten ist daher ein Interesse der der Bürger und der Stadt, weil es der Attraktivität der Stadt dient und ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist.

Anlass für die aktuellen Diskussionen ist die Tatsache, dass man aus Gründen des Klimaschutzes und der belasteten Straßen den Radverkehr als eine der Alternativen fördern möchte und daher die Rü als wesentliche Nord-Süd-Verbindung für den Radverkehr attraktiver machen will. Sie ist daher in das Radhauptroutennetz aufgenommen worden.

Man könnte als weiteres Ziel angeben, dass der zu Stoßzeiten dichte Verkehr auf der Rü als zunehmend unattraktiv empfunden wird, aber hier gehen die Meinungen so weit auseinander, dass es keine Indizien dafür gibt, dass die Mehrheit der Menschen, dies so empfindet. Das zeigen nicht nur die geäußerten Meinungen der Menschen; auch der Erfolg der Geschäfte widerspricht dieser Annahme. Die Außengastronomie, die sich in den letzten 20 Jahren entwickelt hat und neuerdings auch von der Politik als wichtiger Teil der Aufenthaltsqualität angesehen wird, ist gerade an den belebtesten Stellen - und lieber am Straßenrand als an der Hauswand - gefragt. Es fehlt auch nicht an ruhigen Stellen, denkt man z.B. an den Christinenpark oder so manchen attraktiven Hof (Bistecca, Zweibar, Zizou, Gärtnerei, Glanzstück, Paladio, Pelayo, Pomodoro, Juan Sanchez, Fischerei, Casa de Disfruttar…). Warum sollte auch jedes Mittelzentrum gleich sein?

Nachdem es einige Maßnahmen gab, über die weitgehend Konsens herrschte, hat die Änderung der Verkehrsführung im Oktober 2025 allerdings dazu geführt, dass der Erhalt der Geschäftsstraße und die Forderungen der Fahrradverbände zu Gegensätzen wurden. 

Da im Rahmen der sog. Verkehrswende der ÖPNV gefördert und ausgebaut werden soll, sollten Vorschläge keine Einschränkungen des ÖPNV zur Folge haben.

In zwei Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen wurde unter anderem festgestellt, dass die Interessen der Anlieger nicht berücksichtigt wurden. Es ist in der Tat kein Vorschlag bekannt, der übernommen wurde und keine Klage auf die reagiert wurde

Nachdem die Rü wichtige Nord-Süd-Achse des Radhauptroutennetzes sein soll, kann die Einrichtung einer Fußgängerzone oder die Nutzung der Fahrbahn durch Geschäfte oder Gastronomie ausdrücklich nicht das Ziel sein. Hier bestehen häufige Missverständnisse, und Politiker machen falsche Versprechungen.

Es wird also weitgehender Konsens sein, dass man auf der zentralen Nord-Süd-Fahrradroute den Radverkehr, aber auch den Fußverkehr und den ÖPNV attraktiver machen will, ohne die Funktion als attraktive Geschäftsstraße zu schädigen.

Dies ist in der Vergangenheit auch schrittweise geschehen.

Bisherige Maßnahmen

Wie an jedem attraktiven Ort, gab es auch hier schon immer Verkehrsprobleme.

• 1988/89 wurde in diesem Bereich die U-Bahn fertiggestellt. 

• Nachdem die Straßenbahn und das laute Kopfsteinpflaster verschwunden war, wurde auf der gesamten Länge der Rü der Verkehrsraum attraktiv umgestaltet. Ein einheitliches Pflaster, Lampen und Poller, breitere Gehwege und hunderte Bäume sowie Pflanzkästen erhöhten die Aufenthaltsqualität entlang der Rü sehr deutlich. Dies geschah auf Kosten sehr vieler Parkplätze. Ampeln und streifenförmige Pflasterung an den Ecken dienten der weiteren Verkehrsberuhigung.

• Im Laufe der Jahre kamen einige Zebrastreifen und Ampeln sowie Ladezonen hinzu.

(Nachhaltigen Schaden hat die Einrichtung des Bewohnerparkens nördlich Rüttenscheider Stern angerichtete. Hochwertige Firmen zogen weg. Bis heute gibt es eine andere Qualität und deutlich mehr Leerstand als im Rest der Rü)

Die Rüttenscheider Straße wurde Teil des Radhauptroutennetzes und im Rahmen der Einigung mit der DUH 2020 Fahrradstraße

Trotz mancher Bedenken wurde die Fahrradstraße vom Einzelhandel begrüßt, da die Förderung des Radverkehrs als Ziel durchaus geteilt wurde und wird. Es wurde ein entsprechendes Plakat ausgehängt, das auch das Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer betonte.

Eine Vielzahl technischer Maßnahmen hat seitdem den Radverkehr auf der Rü weiter vereinfacht:

Vorfahrt entlang der gesamten Rü

Überholstreifen für den Radverkehr an den meisten Ampeln

ARAS (Aufgeweitete Radaufstellstreifen) an fast allen Ampeln

• Markierte Schutzstreifen entlang der gesamten Straße (gegen Dooring)

Grüne Pfeile für Fahrräder an einige Stellen

• großflächige Hinweis-Piktogramme auf der Fahrbahn

Vorrechte im Rahmen der Fahrradstraße, wie die Nutzung der gesamten Fahrbahnbreite 

• durch die Fahrradstraße gilt Tempo 30 (was sich dadurch nicht, etwa auf 20km/h, ändern lässt)

• Auch für Fußgänger gab es deutlich mehr Platz und Sicherheit, weil auf zwei Drittel der Strecke der Rü, südlich Martinstraße der Radverkehr nicht mehr auf dem Gehweg geführt wurde. So hat er bevorrechtigt auf der Fahrbahn ausreichend Platz zu expandieren.

• Im Oktober 2024 wurde die besagte Verkehrsführung geändert, was zu großen Protesten der Anwohner und anliegenden Firmen führte und in zwei Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichtes einstweilen untersagt wurde. Der Ablauf und die Daten finden sich ausführlich und offiziell unter www.essen.de/verkehrskonzept_rue.

Es handelte sich um einen Kompromiss, den die Koalition aus CDU und Grünen ausgehandelt hatte und der im Stadtrat beschlossen wurde. Zuvor hatte das Planungsbüro Planersocietät aus Dortmund ohne Ortskenntnis 16 verschiedene Varianten, auch auf Wunsch der Politik, untersucht. Dabei wurde versucht abzuschätzen, welche Auswirkungen diese hinsichtlich einiger Kriterien haben würden. Auch Daten der Verkehrslage vor und nach der Regelung wurden erhoben und im Essener Verkehrsmodell unter Berücksichtigung bevorstehender Bauprojekte berechnet. 

Während die CDU deutlich machte, dass sie mit Rücksicht auf die Anlieger in den Nebenstraßen, die Bedeutung der florierenden Geschäftsstraße, des städtebaulichen Mischgebietes und des wichtigen Wirtschaftsstandortes die erheblichen Verkehrseinschränkungen ehr vermeiden würde, traten die Grünen für die Forderungen der Radverbände und des Radentscheides ein, den Radverkehr als wichtiger anzusehen und in ihm auch neue Kundschaft zu sehen.

Der Kompromiss bestand aus folgenden Eingriffen: Am Nordende (Huyssenallee) und am Südende (Manfredstraße) der Rü wurde sog. Modalsperren eingerichtet, die aus Norden und Süden kommenden Autos, aber nicht dem Radverkehr, den geraden Weg auf die Rü zu verweigern. Alle Querstraßen sollten den Zugang erlauben. So sollte der Durchgangsverkehr verhindert werden. 

Im Kernbereich, zwischen Manfredstr. und Rüttenscheider Stern sollte eine Einbahnstraße in nördlicher Fahrtrichtung dafür sorgen, dass der Radverkehr auf einer freien Spur die Möglichkeit der Vorbeifahrt an Hindernissen bekommt. Das führte zu einer weiteren Modalsperre aus nördlicher Richtung kommend am Rüttenscheider Stern. Zwei gleiche Modalsperren hintereinander erscheinen allerdings zur Verminderung des Durchgangsverkehrs unnötig.

Erst spät teilte die nicht eingeschaltete Verkehrsbehörde mit, dass laut StVo eine Einbahnstraße so manches Zusatzschild, aber nicht das „Linienverkehr frei“ erlaube. Da man die beiden Buslinien NE13 und NE8 nicht durch Verlegung der Haltestellen auf die Alfredstraße unattraktiver machen wollte, entschied man sich für eine unechte Einbahnstraße, die die Zufahrt für PKW aus Süden, aber nicht aus Norden erlaubt. 

Neben der Irritation der Verkehrsteilnehmer angesichts einer unechten Einbahnstraße kam dann das Problem auf, dass man die Parkplätze auf der westlichen Seite (gerade Hausnummern) zwischen Christophstr. und Zweigertstr. – darunter zwei Ladesäulen, ein Behindertenparkplatz an einem Ärztehaus und eine Ladezone vormittags – nur durch Wendemanöver auf der Rü erreichen könne. So öffnete man vernünftigerweise die Rechtsabbiegerspur von der Zweigerstr. auf die Rü, nicht aber die Linksabbiegerspur der gegenüberliegenden Klarastr. auf die Rü. 

Das führte zu großer Verwirrung, da das Grundprinzip der Anfahrt über alle Nebenstraßen aufgehoben wurde. Niemand verstand mehr, warum man über die Zweigertstr. auf die Rü in südlicher Richtung fahren konnte, nicht aber von der Klarastr. aus. Und warum man von der Dorotheenstr. in beide Richtungen auf die Rü gelangt, aber nicht über die Klarastr.

Um die Sperrwirkung der Einbahnstraße am Rüttenscheider Stern nicht zu vermindern, erstellte man eine dritte Modalsperre von Norden kommend an der Christophstr.. Diese war allerdings nicht Bestandteil des Ratsbeschlusses. Wer also nichtsahnend von der Zweigertstr. auf die Rü gelangte, wurde über die Christophstr. auf die Alfredstr. in nördliche Richtung und damit dahin geleitet, wo man herkam. Ein großes und nicht verstehbares Ärgernis, das wohl auch ohne die Eilentscheidung des VG GE vom OB aufgehoben worden wäre.

Aus Norden (Innenstadt) kommend gab es also drei hintereinanderliegende Modalsperren und aus Süden kommend (Bredeney) eine.

Gegen diese verwirrende Regelung klagte zunächst die Fa. ifm im Glückaufhaus an der Sperre Huyssenallee und erreichte eine Eilentscheidung (vor einem Urteil) die Regelung aufzuheben. Die Im Rahmen eines Kompromisses mit ifm änderte die Stadt Essen die Schilder auf „Anlieger frei bis Baumstr.“ und einer Modalsperre dort. Die rot markierte Radspur für den alleinigen Geradeausverkehr auf der Huyssenallee wurde für über 20.000 € wieder abgefräst und ein neuer Mast über diese Spur installiert.

Dann klagte eine Besitzerin von drei Boutiquen südlich Stern und bekam die gleiche Eilentscheidung. Die Stadt Essen beseitigte die Sperren am Stern und der Christophstr. sowie das Linksabbiegeverbot von der Klarastr. aus. Die rote Fahrbahnmarkierung muss auch aufwändig abgefräst werden.

Wenig später wurde auch die Sperre an der Manfredstr. beseitigt, weil die dortigen Geschäftsleute wegen Umsatzeinbußen von 20-42% auch klagen wollten und das Gesamtkonzept ohnehin nicht mehr Bestand hatte.

Mit Rücksicht auf den grünen Koalitionspartner erhob die Stadt Essen Beschwerde beim OVG Münster und erhofft sich grundsätzliche Hinweise, was für Instrumente sie zur Förderung des Radverkehrs einsetzen kann. Bemerkungen dazu unten.

Die Zählungen der KFZ-Zahlen auf der Rü und in sieben für die Umwegfahrten relevanten Nebenstraßen bestätigten die Vorhersagen weitgehend. Der von der Rü verdrängte Verkehr wird in die Nebenstraßen gelenkt.

Dass diese Erhebungen mittels Kameras durch dasselbe Büro erfolgte, führte zu Kritik auch im Verkehrsausschuss. Die Verwaltung betonte die Integrität des Büros. 
Auch der Zeitpunkt sein repräsentativ für einen Vergleich. Zwar war es der erste Tag der Essen Motor Show in der Messe, dies war aber der Preview-Day für wenige Besucher mit erhöhtem Eintritt. Andere Tage standen kurz vor Abbau der Sperren bei ifm auch nicht zur Verfügung.

Die Daten sollen auch nur Anhaltspunkte für die Wirkung geben, die aufgrund der vielen Einflussfaktoren (Wetter, Jahreszeit, Veranstaltungen, Baustellen…) nicht exakt ermittelt werden können.

Aufgrund der Übereinstimmung der Messwerte und der Einhaltung von Normwerten in den Nebenstraßen sieht die Stadt die Maßnahme als Erfolg an. Jedenfalls in verkehrstechnischer Hinsicht.

In den beiden Eilentscheidungen wurden jedoch erhebliche Abwägungsmängel und fehlende Nachweise in vielen Punkten angeführt, was zu der Außerkraftsetzung führte. Das kann man nicht als Erfolg ansehen. Die Richter teilten praktisch alle Gegenargumente, die in der Diskussion schon früh vorgebracht, aber nicht berücksichtigt wurden.

Lessons learned / Erfahrungen für später

Es gab aber auch viele andere Erfahrungen, die gemacht wurden und in der zukünftigen Diskussion berücksichtigt werden sollten: 

• Wie zu erwarten, entstanden vor den Modalsperren Staus, weil alle Kfz zwangsweise in die Nebenstraßen abbiegen mussten. Dies behinderte den gesamten Verkehrsfluss, zu dem auch die Radfahrerinnen und Radfahrer gehören. Sie stellten also zusätzliche Behinderungen des Radverkehrs dar.

• Die erzeugten Zwangsabbiegevorgänge kreuzen auch den Radverkehr, insbesondere auf den angelegten Überholspuren für Fahrräder, was zu einer erheblichen Gefährdung vor allem vor der Rü62 führte. 

• Allein in 19 Tagen nach Aktivieren der Schilder wurde der Autor Zeuge von vier Abbiegeunfällen, drei davon mit schwerem Personen- und Sachschaden (3.11.24 Martinstr. Ecke Rü, 18.11. Zweigertstr. Ecke Rü, 19.11. Alfredstr. Ecke Zweigertstr., 15.12. Alfred. Ecke Zweigertstr.). Ein weiterer wurde von der WAZ berichtet (16.1.25 Alfred-/Martinstr.). Und dies sind nur jene, die von einer Person beobachtet wurden. Fotos liegen vor.

Auch wenn keine direkte Ursache in der Verkehrsregelung nachgewiesen werden kann, so korrelieren diese sehr vielen Abbiegeunfälle zeitlich und sachlich stark mit der Regelung, die eine extreme Erhöhung von Umwegfahrten mit vielen Abbiegevorgängen in teilweise engen oder überlasteten Straßen erzeugt. Das legt eine Erhöhung von Unfällen nahe. Sie wurde nie berücksichtigt. Die Polizei gab immer nur an, dass es direkt auf der Rü keine Unfallhäufigkeit gab.

• Die Messungen zeigen, dass der verdrängte Autoverkehr sich in den Nebenstraßen wiederfindet, was Teil des Konzeptes und evident ist. Die Verkehrsbehörde argumentiert damit, dass die Werte innerhalb der Normen über die Kapazität von Straßen, abhängig von deren Fahrbahnbreite liegen. Sie schließt damit den Charakter, die Anlieger (Kitas, Schulen, Senioreneinrichtungen…), die sonstigen Nutzungen, die Art der Kurven etc. aus der Betrachtung aus.

Die in den Medien und auf den Bürgerversammlungen vorgetragenen Klagen vermitteln ein anderes Bild.

Die Frage, ob 600 Autos pro Tag, 30, 50 oder 100% mehr Verkehr in einer Nebenstraße akzeptabel ist oder nicht, ist letztlich eine politische Entscheidung.

• Hinsichtlich der Verkehrssicherheit wiesen die Richter bei Detailanalyse der einzelnen Unfälle nach, dass es weder eine Unfallhäufung gab oder gibt, die bestehenden Unfälle wenig mit Fahrrädern zu tun haben und auch nicht mit Besonderheiten der Straße. Es sein auch keine Zunahme zu erwarten und nicht gezeigt, dass die Maßnahmen die Verkehrssicherheit erhöhten. Sie lehnen „statistische Effekte“ als Argument ab. Weniger Verkehr führt naturgemäß zu weniger Gefahren. Hier aber wird der Verkehr und damit die Gefahren nur in andere Straßen verschoben und offenkundig vergrößert.

• So, wie die Interessen der Anlieger in Nebenstraßen berücksichtigt werden müssen, muss man auch die der Firmen entlang der Geschäftsstraße berücksichtigen.

Eine Erhebung der IHK, aber auch Rückmeldungen der Firmen in den Medien, gegenüber der Politik und der IGR dokumentieren sehr deutliche Umsatzeinbußen bis zu über 40% und das bleibend.

Etwas überraschend war die starke Betroffenheit an der Flora, aber auch die Betroffenheit von Branchen, bei denen man es weniger erwartet hätte, wie den Apotheken. Es gibt einzelne Klagen von Ärzten, die aber nicht erhoben wurden.

Andererseits bestätigen sich Erfahrungen, die bereits bei der Einrichtung der Fahrradstraße, als die Rü im Kernbereich über Wochen Einbahnstraße war, oder bei der zweimaligen Sperrung an Samstagen vor Jahrzehnten gesammelt wurden.

Dem steht von Seiten der Radverbände die Annahme entgegen, Radfahrende würde in Zukunft die ausbleibenden Autokunden ausgleichen. Das ist nicht nur rein hypothetisch und bei hochwertigen Artikeln ehr unwahrscheinlich, sondern es widerspricht den Beobachtungen, die die Firmen auch in anderen Städten machen. Auch jetzt schon gibt es erfreulicherweise einen zunehmenden Radverkehr auf der Rü, der sich aber in den Geschäften kaum widerspiegelt, wie die Umfragen der Geschäfte zeigen. Warum sollten die Firmen auch gegen eine Änderung sein, die neue Kunden bringt?

Kundenbefragungen in verschiedenen Einzelhandelsgeschäften zeigen, teilweise einen hohen Anteil an Autokunden. Diese haben im Umfeld 4 große Einkaufszentren sowie Düsseldorf als Alternativen zur Verfügung.

• Das Kaufverhalten von Kunden ist ein emotionaler Vorgang. Wie zu erwarten, blieben viele Kunden allein wegen des Medienechos weg, ohne zu wissen, wie die Lage vor Ort ist. Das lässt sich auch kaum wieder korrigieren. 

Auch, wenn man das für unsinnig halten kann, ist es doch ein relevanter Fakt, der berücksichtigt werden muss. 

Es ist kein Mittelzentrum bekannt, wo derartige Maßnahmen gelungen wären, in dem Sinne, dass der Gewerbestandort nicht deutlichen Schaden erlitten hätte. Großstadtzentren mit breiten Straßen, konzentrischer Struktur, Parkhäusern, hoher Zentralität etc. bieten bessere Voraussetzungen.

98% der Einzelhändler und über 90% der Gastronomen haben sich im Vorfeld mit Unterschrift gegen eine Änderung der Verkehrsführung ausgesprochen, da sie ihre Kundschaft als Kleinbetriebe genau kennen und natürlich auch den Standort. Dies wurde ignoriert.
Gleichzeitig haben die Firmen, die ansonsten ergriffenen und darüber hinaus vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs durchaus befürwortet.

• Da erkennbar alle Hindernisse für den Radverkehr bestehen blieben und die Behinderungen durch die Abbiegevorgänge und Staus hinzukamen wurde deutlich, dass man statt einer schädlichen Änderung der Verkehrsführung lieber die ebenfalls beschlossenen Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen, z.B. im Bereich des Lieferverkehrs, ergreifen sollte. Viele Vorschläge liegen seit langem unbeantwortet vor.

> Von Änderungen der Verkehrsführung sollte man absehen und stattdessen die konkreten Behinderungen des Radverkehrs angehen. Damit würde ein organischer Entwicklungsprozess fortgesetzt, statt gewachsene, sehr erfolgreiche Strukturen zu beschädigen.

Weitere Handlungsoptionen

Auch wenn die Beschwerde der Stadt Essen vor dem Oberverwaltungsgericht erfolgreich sein sollte und sie auch das Verfahren gewinnen sollte, ist die bestehende Regelung aufgrund der vielen Proteste und offensichtlichen Nachteile politisch gestorben. Trotzdem wird das Thema weiter politisch ausgenutzt werden, und alle sind ja auch willens, die Verkehrssituation konstruktiv weiterzuentwickeln.

Daher hier wertfrei eine Sammlung von Thesen, die als Grundlage für die Diskussion weiterer Maßnahmen, dienen soll:

Einigkeit:

Vermutlich wird man sich auf das gemeinsame Ziel einigen können, den Radverkehr auf der Rü zu fördern, dabei aber die Geschäftsstraße nicht zu schädigen.

Einig dürfte man sich auch darüber sein, dass Durchgangsverkehr auf der Rü vermieden werden soll. 

Allerdings war schon die Definition in der Vergangenheit strittig. 
Um hohe Zahlen zu erzeugen, hat die grüne Verkehrsdezernentin auf kurzen Strecken zählen lassen, wie viele Autos in diese ein und direkt wieder ausfahren. Bei einer Länge von 2-3 Häuserblöcken kommt man natürlich auf einen hohen Anteil. Kaum jemand würde dies aber als Durchgangsverkehr verstehen. Der letzte Gutachter Bexen hat dagegen bei der Veranstaltung in der IHK (20.10.23) den Durchgangsverkehr insgesamt, also auf voller Strecke, mit 10-15 % abgeschätzt. 
In seinen Folien zur Ausgangslage wird die Definition verwendet, dass dieser Verkehr kein Ziel auf der Rü hat.

Leider gibt es keine Maßnahmen, den Durchgangsverkehr selektiv zu verhindert, ohne gleichzeitig den gewünschten Kundenverkehr auch zu verhindern. Bei den Modalsperren wird der gesamte Autoverkehr in die Nebenstraßen geleitet, was zu den großen o.g. negative Folgen führt.

Die harmloseste Variante wäre, die Modalsperren in Fahrtrichtung jeweils hinter den Geschäften und nicht davor einzurichten. Man könnte die Rü dann weiterhin nicht als Durchgangsstraße über die Rü hinaus verwenden, die Geschäfte blieben aber unbeeinflusst.

Diesem Vorschlag fand in der Koalition leider keine Mehrheit.

Sperren jede Art führen naturgemäß zu Staus, von denen auch der Radverkehr betroffen ist. Das erzwungene Abbiegen, kreuzt die angelegten Fahrradspuren und führt zu den Problemen in den untauglichen Nebenstraßen. 
Nach gemachten Erfahrungen sollte man daher von Sperren absehen.

Einbahnstraßen sind aus der Gegenrichtung auch Sperren. Sie werden zwar als einfache Lösungen häufig vorgeschlagen, haben aber damit die gleichen Nachteile, wie sie bei der letzten Regelung beklagt wurden. Weitere verkehrstechnische Nachteile kämen hinzu.

Wenn der ÖPNV nicht unattraktiver gemacht werden soll, scheiden Einbahnstraßen aus.

Der Bus 142 hat sehr wichtige Haltestellen am Kruppkrankenhaus und auf der Rü, am Girardethaus. Er fährt von Wittekindstr. bis Martinstr. auf der Rü und stellt die einzige Verbindung nach Kettwig und Stadtwald dar.

Jeden Abend fahren außerdem die ebenfalls wichtigen NE8 und NE13 auf der gesamten Rü.

Um eine deutliche Verschlechterung des ÖPNV zu vermeiden, war es bei der Kompromisssuche immer Vorgabe, diese Verbindungen zu erhalten.

Fehlende Verständlichkeit und Inkonsistenzen waren wesentliche Kritikpunkte an der letzten Verkehrsregelung. Es wurden keine Alternativrouten ausgeschildert, und das Grundprinzip, das ursprünglich einen Zugang über alle Querstraßen darstellte, wurde an mehreren Stellen nicht eingehalten. So entstanden weitere Widersprüche und Inkonsistenzen. Grund dafür war vor allem, dass während der Diskussion die Einbahnstraße im Kernbereich in eine unechte Einbahnstraße umgewandelt werden musste.

Besucher werden abgeschreckt, wenn sie nicht mehr wissen, wie sie fahren sollen. Da hilft es nichts, wenn jedes Geschäft erreichbar ist. Die Frage ist wie und mit welchem Aufwand. Die komplizierten Zeichnungen des Gutachters, die darstellten welche Wege genommen werden sollten, zeigten schon früh, diesen Effekt.

Statt einer Veränderung der Verkehrsführung, sollte man lieber die Hindernisse für den Radverkehr beseitigen, die ansonsten alle bestehen bleiben, ja sogar durch den Abbiegeverkehr zunehmen. Diese waren auch Teil der letzten Ratsentscheidung. 

Eine Änderung der Verkehrsführung in dieser speziellen städtebaulichen Situation, wurde im Vorfeld per Unterschrift von praktisch allen Gastronomen und Einzelhändlern abgelehnt. Auch die Verbände wie IHK, Handelsverband, dehoga sowie die Vertreter der Anwohner, wie der Bürger- und Verkehrsverein sowie die IG-Rüttenscheid, die je zur Hälfte fast 400 Bürger und Firmen vertritt, haben sich im Vorfeld dagegen ausgesprochen. 

Es liegen umfangreiche Vorschläge vor.

Einige Beispiele:

- Die wichtigen, Überholspuren für Fahrräder an den Ampeln sind nicht so lang gebaut worden, wie es möglich gewesen wäre. Dadurch wird ihre Wirkung wesentlich vermindert, da wenige Autos ausreichen, um sie zu blockieren. Insbesondere an der wichtigen Stelle vor der Rü62 gibt es erhebliches Verlängerungspotenzial.

- Die ARAS wurden nicht überall angelegt, was allerdings zum Teil kürzlich korrigiert wurde.

- Der Abfluss der Kfz, weg von der Rü, ließe sich durch die Aufhebung der Sperre der Girardetstraße verbessern. Dies würde auch den Rückstrom von Fahrzeugen, die gar nicht auf die Rü wollen, sowie die gefährlichen Wendemanöver vermeiden.

- Ampeln, wie die in der Wittekindstraße, erscheinen überflüssig oder sollten anders geregelt werden. Sie bewirken ein ständiges Stoppen des Verkehrsflusses. 

Viele weitere kleine Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrsflusses ließen sich nennen. 

- Vor allem aber stellt Lieferverkehr in zweiter Reihe ein wesentliches Hindernis dar.

Auch hierzu gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen, von denen lediglich einer umgesetzt wurde. Dabei ist auch dieses Thema Teil des Ratsbeschlusses gewesen, ebenso wie ein besseres Parkleitsystem. Von vielen wurde der Beschluss auch so verstanden, dass diese Maßnahmen, vor der Änderung der Verkehrsführung umgesetzt werden sollten.

Die elf Lieferzonen sind von der Rü aus nicht ausgeschildert und auch unterschiedlich markiert. Z.B. ist die größte, an der Franziskastraße, nicht einmal als Lieferzone markiert, so dass das Ordnungsamt nach drei Minuten einen Strafzettel ausfüllt, selbst dann, wenn anliegende Geschäfte erkennbar, einen Ladevorgang durchführen. Für Speditionen, die mehrere Geschäfte beliefern sollen, reichen drei Minuten auch nicht aus. So wird der Platz für mindestens sechs Fahrzeuge praktisch den ganzen Tag verschenkt.

Ladezonen sind ungünstig angeordnet oder gelten zu Zeiten, wo die Geschäfte geschlossen haben.

Auch die Schaffung weiterer, bedarfsgerechte Lieferbereiche, wie an der Rü 60 und die Kombination mit Taxi-Flächen wurden über Jahre ausführlich in einem Konzept ohne Reaktion vorgeschlagen. Gleichzeitig beklagte die Behörde die Verkehrsbehinderungen.

Der Lieferverkehr ist für die Firmen unverzichtbar. Gastronom werden mehrfach pro Tag mit frischer Ware beliefert, die ein hohes Gewicht hat. Der Rat der Verkehrsbehörde, dies mit Fahrrädern zu bewerkstelligen, ist völlig weltfremd, von Kühlanforderungen ganz abgesehen. Gastronomie und Einzelhandel machen über 400 Firmen aus. Die Dienstleister, mit geringerem Lieferaufkommen kommen hinzu. Es geht auch nicht nur um Lieferung, sondern auch um Versand und Entsorgung.

Hubs von Speditionen, die die letzte Meile mit Lastenrädern realisieren, gibt es bereits und entwickelt sich weiter. Ebenso nimmt die Zahl der Packstationen zu, die demnächst für alle oder mehrere Speditionen nutzbar sein werden. Diese und weitere Vorschläge des Gutachters sind also bereits in der Entwicklung, finden aber an der Praxis und Wirtschaftlichkeit ihre Grenzen.

Auch das Verwaltungsgericht kritisiert, dass derartige Maßnahmen mit geringerem Eingriff in den Straßenverkehr nicht ergriffen wurden. Der Grund ist natürlich ein politischer.

Juristisches

Bei zukünftigen Betrachtungen sind auch die juristischen Aspekte mehr zu berücksichtigen. Hier lohnt ein Blick in die Ausführung des Verwaltungsgerichtes und in die Novellierung der StVo.

Das Gericht hat festgestellt, dass die Interessen der Anlieger nicht berücksichtigt wurden. Das sehen diese auch so, wobei es kaum eine deutlichere und einheitlichere Position geben kann (Beiträge bei Bürgeranhörungen, Bürger- und Verkehrsverein, IHK, Handelsverband, DEHOGA, Unterschriftensammlungen, IG-Rüttenscheid). Bürgeranhörungen oder -informationen sind aber keine Berücksichtigung der Betroffenen.

Neuerdings erlaubt die StVO vier Ziele, die einen Eingriff in den Straßenverkehr rechtfertigen können, sowie eine leichtere Begründung. 

Die jetzt auch praktisch gemachten Erfahrungen zeigen aber, dass Verkehrsbehinderungen auf der Rü für diese Ziele nicht taugen.

• Hinsichtlich der Verkehrssicherheit haben die Richter in ihrer vorläufigen Entscheidung kritisiert, dass es keine hinreichende Begründung gab. Weder lag oder liegt eine erhöhte Unfallhäufigkeit vor, noch weisen die bestehenden Unfälle eine nennenswerte Beteiligung von Radfahrern oder einen Bezug zu Eigenschaften der Rü auf. Das Gericht sieht auch keine hinreichende Begründung, dass die Maßnahmen die Verkehrssicherheit erhöhen. Statistische Effekte, beziehungsweise die Verlagerung von Gefahren in die Nebenstraßen, werden nicht anerkannt. Nach den gemachten Erfahrungen kann man im Gegenteil feststellen, dass die o.g. deutliche Zunahme von Abbiegeunfällen im Rahmen der Umgehungsfahrten, und die Verhältnisse in den engen Nebenstraßen die Verkehrssicherheit insgesamt deutlich vermindert hat.

• Das Ziel des Klimaschutzes wird definitiv nicht erreicht, wenn man den Autoverkehr auf Umwege in die Nebenstraßen schickt und durch die vielen Abbiegevorgänge erhebliche Staus erzeugt. Mögliche Emissions- und Immissionsminderungen auf der Rü sind deutlich geringer als die Zunahme durch die Mehrfahrten und Staus.

Während man auf der Alfredstraße großen Aufwand treibt, um Grenzwerte an den Messstellen einzuhalten, lenken die Maßnahmen weiteren Verkehr auf diese überlastete B224.

Die nachweislich verlorenen Kunden werden zum Großteil längere Fahrten nach Düsseldorf oder in Einkaufszentren unternehmen, was ebenfalls mehr Auto-km und Emissionen bedeutet.

In Regionen mit so vielen Alternativen ist es unwahrscheinlich, dass viele Kunden durch Behinderungen in Rüttenscheid ihr Auto stehen lassen. Sie fahren woanders hin. Das ist anders, wenn man in der Lage einer Metropole ohne viel Konkurrenz ist.

Das Gericht bemängelt auch dass eine Förderung des Radverkehrs durch die Maßnahmen fraglich ist. 

Durch die Staus und Abbiegevorgänge an den Sperren wird der Radverkehr zusätzlich behindert.

Die allermeisten Hindernisse für den Radverkehr auf der Rü können im Übrigen durch eine MIV-Minderung nicht behoben werden:

- intensiv überall kreuzende Fußgänger durch die Einkaufsstraße, 

- mehrere große Hauptstraßen, die die Rü kreuzen und über Ampeln minütlich zu Stopps des gesamten Verkehrs führen, 

- mehrere Zebrastreifen, 

- intensiver Liefer-, Lade- und Entsorgungsverkehr für über 500 Firmen,

- eine sehr große Zahl (>100) medizinischer Einrichtungen und Arztpraxen oft mit gehbehinderten Patienten, die zu berechtigten Haltevorgängen vor allen von Taxis, aber auch Krankenwagen auf der Fahrbahn führen,

- Bushaltestellen auf den Fahrbahnen,

- 30 Querstraßen, die einmündenden Verkehr verursachen

u.s.w.

Angesichts der erheblichen Hindernisse, die bestehen bleiben, ist es unwahrscheinlich, dass der Radverkehr durch die Verdrängung des MIV wesentlich erhöht und dabei mehr Autoverkehr eingespart als erzeugt wird.

Weitere attraktive Radstrecken in Nord-Süd-Richtung wurden nicht gleichermaßen berücksichtigt. Teilweise bieten diese durch ihre diagonale, kürzere Verbindung zur Grugatrasse Vorteile für den Rad-Fernverkehr und sind frei von vielen der Hindernisse, wie sie auf einer Geschäftsstraße naturgemäß vorliegen.

Eine Verschlechterung des ÖPNV ließe sich mit den Zielen des Klimaschutzes ebenfalls nicht vereinbaren.

Taxen, Mietwagen, Uber und das On-Demand-Taxi Bussi wurden bei der beklagten Verkehrsregelung ebenfalls den Sperren unterworfen, was zu Umwegen, Fahrtkostensteigerungen und mehr Zeitaufwand führte.

Sinngemäß gilt dies auch für die noch nicht umgesetzte, aber geplante Sperrung des Bereiches zwischen Bertoldstr. und Rüttenscheider Stern freitags und samstags Abend.

Es wird also in diesem Fall sicher kein Beitrag zum Klimaschutz geleistet; im Gegenteil.

• Entsprechendes gilt für den Bereich des Gesundheitsschutzes der Bewohner. Sie werden in den Nebenstraßen, die schmaler sind und reinen Wohngebiete liegen, deutlich mehr belastet. Senioreneinrichtungen und Kitas sind sensibler als vorwiegend gewerbliche Anlieger der Rü.

• Eine weitere Option wird in der Novelle eingeräumt, wenn ein Beitrag zur Stadtentwicklung damit geleistet wird. 
Da es keinen Stadtteil gibt, der - auch nach harten Kennzahlen – bei Bewohnern, Kunden und Firmen beliebter, erfolgreicher und attraktiver ist als Rüttenscheid, lassen sich städtebauliche Handlungszwänge ausgerechnet hier wohl kaum belegen. Der Schaden, der an der beliebten Geschäftsstraße angerichtet wurde und potenziell auch bei vergleichbaren Maßnahmen zu erwarten ist, ist das Gegenteil einer positiven städtebaulichen Entwicklung. Städtebauliche Ziele sind vielmehr Nahversorgung, Mischgebiete, Mittelstandsförderung etc.. Dafür steht Rüttenscheid seit 130 Jahren.

Dr. Rolf Krane 24.2.24

Plakat mit dem Einzelhändler darauf hinweisen, dass man es begrüßt, dass etwas für den Radfahrer und Fußgänger getan wird, aber dass man gemeinsam einhellig gegen das Aussperren und Einschränken der Erreichbarkeit für wichtige Kundengruppen ist.


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