Carsharing
Das Teilen von Nutzgegenständen mit dem Ziel Ressourcen zu sparen ist ein aktueller Trend in vielen Lebensbereichen. In der aktuellen politischen Diskussion um die notwendige Veränderung der Verkehrspolitik spielt Car- und Bikesharing eine besondere Rolle. Einige Anbieter werden – entgegen vieler Dementis – gefördert.
Neben dem klassischen System, bei dem KFZ, Fahr- oder Lastenräder an festen Stationen, ggf. auch nach Vorbestellung ausgeliehen werden können, gibt es freefloat-Systeme, die in einem Versorgungsgebiet ein Abstellen an beliebiger Stelle ermöglichen. Dies ist ein wesentlich höherer Komfort, weil es die Wege zwischen Start- und Zielpunkten sowie den Stationen vermeidet. Angeblich ist eine Reservierung nur an festen Stationen möglich, was technisch nicht nachvollziehbar ist, da die Leihabläufe die selben sind.
Angebotssituation
Das Sharingangebot in Rüttenscheid ist, auch im bundesdeutschen Vergleich, sehr gut (s.u.). Es gibt Car- und Bikes-, eScooter, Motorroller-Sharing von verschiedenen Anbietern mit Feststationen und als freefloat und sogar Nachbarschaftscarsharing.
Was kann Carsharing zur gewünschten "Mobilitätswende" beitragen?
1. Car-Sharing ist Autofahren und es macht auch Werbung für das Autofahren. Neue Erhebungen zeigen, dass ein großer Anteil der Nutzer vorher auch kein Auto besaß, also erst durch das Car-Sharing zusätzlich Auto fährt.
Es wird also zunächst mehr Auto gefahren. Zu den Zielen Emissionen und Staus durch weniger gefahrene km zu vermeiden trägt es also grundsätzlich nicht bei! U.U. erzeugt es sogar mehr Autoverkehr.
2. Alle Sharingangebote, Ridesharing (Mitfahrförderung), aber auch der ÖPNV und viele andere Maßnahmen sollen aber vor allem dazu führen, dass Bürger ihr Auto abschaffen. Das setzt ein System von guten Alternativen voraus und wird nur bei bestimmten Lebensverhältnissen und an bestimmten Orten realistisch sein. Wirtschaftlicher ist Carsharing das nur dann, wenn die Strecke, die man mit dem Auto pro Jahr fahren muss, gering, z.B. unter ca. 3000 km ist.
Wirkungen
Die Existenz von Autos und die gefahrenen km sind völlig unterschiedliche Dinge. Der Schaden der Existenz eines Autos ist der Platz, den es im Öffentlichen Raum verbraucht und teilweise Folgewirkungen, wie Parksuchverkehr. Emissionen und Staus dagegen haben nur etwas mit den gefahrenen km zu tun. Es gibt schon jetzt sehr viele umweltbewußte Menschen, die ein Auto haben, es aber wenig nutzten und statt dessen ÖPNV oder Fahrrad fahren, Verkehr vermeiden etc.. Diese sind potentielle Kunden für Carsharing. Das muss aber nicht heißen, dass sie viel weniger Auto fahren. Hinzu kommt der erwähnte Anteil derer, die erst durch Carsharing Autofahren. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass Carsharing Emissionen und Staus vermeidet, und es kann sogar umgekehrt sein.
Bei der Wirkung zur Abschaffung von Autos beizutragen muss man sehen, dass die Carsharing Autos (mit Ausnahme des Nachbarschafts-Carsharings) zunächst einmal zusätzliche Autos im öffentlichen Raum sind! Erst, wenn z.B. die vier Carsharing-Autos an der Mobilstation Flora dazu geführt haben, dass mehr als vier Autos in der Umgebung abgeschafft wurden fängt ein Nutzen erst an. Vorher ist es ein Schaden!
Die Lebenserfahrung zeigt, dass dies auf absehbare Zeit sehr unwahrscheinlich ist, zumal die Alternativen weitgehend fehlen.
Carsharing-Autos verbrauchen nicht nur öffentlichen Raum und erzeugen gefahrene km, sie kosten die Anlieger, Kunden und Mitarbeitern auch Parkraum und führen so zu zusätzlichem Parksuchverkehr. Hier unterscheiden sich stationäre und freefloat Angebote deutlich.
Es ist die Regel, dass Stellplätze an Stationen leer stehen, weil es viel mehr Plätze als Fahrzeuge gibt und der Nutzer natürlich auch einen Stellplatz vorfinden soll. Es werden also deutlich mehr Parkplätze verbraucht als Autos angeboten werden. Der Leerstand von Parkraum ist eine ineffiziente Nutzung einer knappen Ressource. Neben den Fördergeldern ist dies der Hauptpreis, den Anlieger und Firmen zu zahlen haben und der angesichts der ernsten Lage, die teilweise herrscht, erheblich ist.
Dem steht ein fragwürdiger Nutzen gegenüber, der nicht einmal in weniger gefahrenen km besteht, sondern in der vagen Hoffnung, dass die Anlieger mehr Autos abschaffen als Carsharing-Stellplätze geschaffen werden, obwohl die Alternativangebote unzureichend sind.
Abwägung
Will man das Gemeinwesen nicht übermäßig schädigen, so sollte man
- nur freefloat-Angebote fördern,
- jene Angebote bedenken, die es schon auf privaten und öffentlichen Flächen gibt,
- intensiv genutzte Flächen, wie bewirtschaftete Kundenparkplätze in Einkaufszonen ausschließen,
- die Zahl der Anbieter minimieren um Ineffizienzen zu vermeiden und
- grundsätzlich mit Augenmaß vorgehen statt den Werbesprüchen von Anbietern zu folgen.
- Bei den sehr teuren Einrichtungen, wie z.B. den Mobilstationen, erscheint es fraglich, ob die Gelder nicht für andere Maßnahmen wirksamer im Sinne des angestrebten Ziels ausgegeben wären.
Zusammenfassung
Carsharing bedeutet
- zusätzliche Autos im öffentlichen Raum, Parkplatzverluste, solange nicht mehr abgeschafft werden, was zusätzliche Alternativen, vor allem ÖPNV, erfordert
- keine Reduzierung, sondern u.U. mehr gefahrene KFZ-km
- Werbung für das Autofahren
- freefloat vermeidet das Leerstehen von Stellplätzen und ist wesentlich komfortabler.
- Im Vergleich zu 341.000 in Essen zugelassen KFZ und 30 Mio täglich gefahrenen km ist der Effekt auf Umwelt und Staus verschwindend. Vor allem die öffentlichen Kosten von Mobilstationen sind erheblich. Investitionen wären woanders nützlicher.
Konkrete Angebote:
freefloat Carsharing wird von stadtmobil unter dem Titel stadtflitzer u.a. in Rüttenscheid angeboten.
Stationäre Car-Sharing-Anbieter in Essen: stadtmobil, RuhrAuto, GreenWheels, Nachbarschafts-Car-Sharing, wie Getaway u.a.
In 2018 gab es mindestens ein freefloat Bike Sharing Angebot, das gut angenommen wurde und deutlich billiger war als metropolrad.
Ansonsten gibt es feste Stationen von metropolrad (nextbike), die mit der Ruhrbahn, der Uni u.a. kooperieren. Leider findet die Verknüpfung nicht in der ZÄPP statt. Hier gibt es viel Verbesserungspotential. An sog. Mobilstationen werden ÖPNV, stadtmobil und metrorad kombiniert. In Rüttenscheid am Landgericht und an der Flora.
Seit 2019 gibt es eScooter-Sharing von Lime, Tier und Circ sowie (Vespa)Roller-Sharing von EVO-Sharing, die gut angenommen werden.
Diese Angebote ergänzen den ÖPNV auf den letzten Metern und können ihn im Idealfall attraktiver machen.
>>> CarSharing vermindert nur die Zahl der Autos und das auch nur, wenn wirklich Leute dadurch mehr Autos abschaffen als es Car-Sharing-Autos gibt, was nur in sehr wenigen Einzelfällen der Fall sein wird, wenn das ÖPNV-Angebot attraktiv ist.
Carsharing führt nicht unbedingt zu weniger km und leistet keinen Beitrag zu Emissions- oder Stauminderung.
Freefloat ist anwendungsfreundlicher und vermeidet Parkplatzleerstände.
Sharing ist ein sinnvoller Trend. Kosten und Nebenwirkungen sollten aber wegen der überschaubaren Wirkung nicht zu groß sein.
Rolf Krane, Oktober 2019